Im wahren Leben konnten sie sich niemals begegnen, ist der eine doch schon vor 200 Jahren verstorben und der andere erst vor 150 Jahren geboren. Im Johanneum jedoch standen sie am 12.November 2015 sozusagen gemeinsam auf der Bühne: Matthias Claudius und Jean Sibelius.

In einem ganz neuen Format haben der Theaterkurs des S1 unter der Leitung von Stefan Limmroth und der A-Chor unter der Leitung von Hartwig Willenbrock Werke des deutschen Dichters und des finnischen Komponisten zu einem Collagenkonzert arrangiert. Den Anstoß dazu hatte der Musikwissenschaftler Professor Tomi Mäkelä von der Universität Halle-Wittenberg gegeben, ein ausgewiesener Sibelius-Experte, der den Schülerinnen und Schülern während des Abends auch in einem Podiumsgespräch Rede und Antwort zum Komponisten stand.

Die inhaltliche Klammer der gesamten Aufführung bildetet das Thema Krieg, stand doch im Mittelpunkt des Konzerts eine Auseinandersetzung mit Sibelius‘ Stück „Gesang der Athener“ aus dem Jahr 1899, das die jungen Männer des A-Chores eindrucksvoll aufführten. Es handelt sich dabei um die Vertonung eines antiken Gedichts des griechischen Elegikers Tyrtaios, das mit einer uns heute eher fremd anmutenden Begeisterung zum Kampf aufruft.

Im Podiumsgespräch erklärte Professor Mäkelä, wie Sibelius damit seinen indirekten Protest gegen das russische Zarenreich, das zum Zeitpunkt der Entstehung des Liedes das Fürstentum Finnland in seinen Freiheiten maßgeblich beschnitten hatte, ausdrückte und wie er im Laufe seines musikalischen Wirkens überhaupt zu einem finnischen Nationalhelden wurde. Passend dazu wurde auch eines der bekanntesten Werke Sibelius‘, Finlandia, vom gesamten A-Chor aufgeführt.

In den Szenen des Theaterkurses ging es mal direkt um den Krieg, wie etwa im berühmten Kriegslied von Claudius oder um Kritik am Kolonialismus wie in seinem kurzen, eindringlichen Gedicht Der Schwarze in der Zuckerplantage. Treffend waren darüber hinaus die zahlreichen von den Schülern selbst entwickelten Ministücke mit Krieg und Kleinkrieg überschrieben. Es ging um die vielen großen und kleinen Konflikte, die im Alltag von Menschen schwelen. Von Menschen, die in ihrer stupiden Arbeit unglücklich sind. Von Menschen, die sich in ihrer Ehe einsam und verlassen fühlen. Von Menschen, die sich von allem isoliert sehen. Und so hallte denn auch der Satz, mit dem eine der Szenen endete, noch lange nach: Große Kriege entstehen aus kleinen Kriegen.

Matthias Claudius ganz modern
Collagenkonzert2015
Der A-Chor mit einem Stück von Sibelius
Collagenkonzert2015
Die Männerstimmen des A-Chores hochkonzentriert
Collagenkonzert2015
Der Sibelius-Experte Prof. Tomi Mäkelä
Collagenkonzert2015
Im Gespräch mit Schülern
Collagenkonzert2015
Frau Hose dankt Herrn Willenbrock und Herrn Limmroth
Collagenkonzert2015