• Veranstaltung im Forum Johanneum am Donnerstag, dem 1. Juni 2017
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Zwei Tage lang hatte er die Seele des Instruments erforscht: so viel Zeit hatte Dr. Rainer Schöneich sich gelassen, um die Beckerath-Orgel des Johanneums kennenzulernen und sie zu verstehen, um dann mit Hilfe der Tasten und der Pfeifen zu den Zuhörern sprechen zu können. Denn darum ging es an dem Abend: Um das Sprechen durch die Musik, um die Rhetorik in der Musik.

In ihrer sehr freundlichen Begrüßung hob Frau Hose zunächst die traditionell enge Verbindung zwischen Lehrern und Kirchenmusikern hervor. Nicht zuletzt G.Ph. Telemann und C.P.E. Bach hatten beides miteinander verbunden, auch wenn sie das Unterrichten in der Schule möglichst vermieden hatten. Auch Dr. Schöneich verbindet beides miteinander: Nach seinem Studium der Klassischen Philologie für das Lehramt schloss er ein Schul- und Kirchenmusikstudium in Hannover an. Inzwischen ist er schon seit vielen Jahren Leiter der Kieler Gelehrtenschule und 1. Vorsitzender des Altphilologenverbandes Schleswig-Holstein. Daneben gibt er regelmäßig Orgelkonzerte.

In einer Einführung in das Thema stellte Dr. Schöneich zunächst die Teile der Rede vor, wie sie schon in der Antike festgelegt und durch Musiklehren der Barockzeit, z.B. in „Der vollkommene Capellmeister“ des Hamburgers Johann Mattheson, wieder aufgenommen worden waren: exordium, narratio, proposition, argumentatio, confirmation, confutatio und conclusio. Danach ging Dr. Schöneich auch auf die Affektenlehre und die Figurenlehre ein, die die Komponisten des Barock alle beherrschten und durch die das Komponieren zu einer Art Handwerk wurde.

Anschließend zeigte Dr. Schöneich die Redeteile sowie die musikalischen Affekte und Figuren an drei Orgel-Partituren nach, die er dann jeweils auch musizierte. Es handelte sich um die Toccata d-Moll und das Präludium a-Moll von Dietrich Buxtehude sowie die Fantasie g-Moll von Johann Sebastian Bach. Als besonders bemerkenswert hob Dr. Schöneich eine Stelle im Präludium a-Moll von Buxtehude hervor, an der sich eine Anabasis in der Oberstimmen mit einer Katabasis im Pedal verschränkt und dadurch hervorsticht. Erstaunlicherweise wies Dr. Schöneich eine fast genauso angelegte Stelle auch in der Fantasie g-Moll von Bach nach, ebenfalls mit einer Anabasis in den Oberstimmen und einer Katabasis im Pedal, wodurch die starke Beeinflussung Bachs durch seinen Lehrer Buxtehude sehr deutlich wurde.

Die drei Orgelwerke trug Dr. Schöneich gekonnt, souverän und mit großer Musikalität vor. Die Registrierungen hatte er ganz bewusst aus der Anlage der Stücke und der Anordnung der Redeteile abgeleitet, wodurch sie jeweils in sich sehr schlüssig waren. So wurde der Abend eine sehr spannende, angeregte Unterhaltung zwischen der Seele der Orgel und Kopf und Herz der Zuhörerinnen und Zuhörer.