Welche Schule darf schon von sich behaupten, dass an ihr ein richtiger Komponist Musik unterrichtet?
Seit diesem Schuljahr ist Dr. Tim Steinke bei uns und absolviert sein Referendariat. Steinke stammt aus Furth im Wald in Franken und studierte in Hamburg Komposition, bevor er eine Dissertation zu Opern nach Wagner verfasste und an mehreren Instituten, u.a. an der Bucerius Law School, als Dozent tätig war.
Steinke bekam in Hamburg schnell Kontakt zu Stefan Schäfer, einem Hamburger Komponisten, der gleichzeitig Solo-Kontrabassist bei den Hamburger Philharmonikern und beim Ensemble 8 ist. Aus der Zusammenarbeit entwickelte sich das Projekt „Lichter und Schatten“, das jetzt mit dem Ensemble 8 zur Aufführung kam.
Die Besetzung des Ensemble 8 – Klarinette, Fagott, Horn, zwei Geigen, Bratsche, Cello, Kontrabass – geht zurück auf eine Komposition von Franz Schubert, in der dieser zum ersten Mal für diese Instrumente geschrieben hat. In den 6 Sätzen seines Divertimentos entwickelt Schubert eine bis dahin nicht gehörte Tonsprache, geprägt von vielfältigen Kombinationen der Instrumente und äußerst abwechslungsreichen Klangfarben.
Von diesem Farbenreichtum fühlte sich Steinke inspiriert, als ihm das Werk „Nachtwachen“ von Bonaventura in die Hände fiel. Vor allem das Horn des Nachtwächters in dem Stück, mit dem dieser die Stunde abruft, ließ ihn an das Oktett von Schubert mit dem Horn in der Besetzung denken. Auch die dunkle Klangfarbe des Ensembles, bedingt durch das Fehlen von Flöte und Oboe, passten gut zu den „Nachtwachen“. So kam es, dass Steinke ein Werk in fünf Sätzen für diese Besetzung schrieb. In jedem Satz begegnet der Nachtwächter anderen traumhaften, absonderlichen und gruseligen Wesen und Gestalten.
Als die Musiklehrer Frau Winkler und Herr Willenbrock von der Uraufführung von Steinkes Stück erfuhren, beschlossen sie sofort mit ihren Schülern der 11. Klassen die Chance wahrzunehmen und eine echte Uraufführung mitzuerleben. Steinke machte es möglich, dass das Ensemble 8 eine Art offene Probe der „Nachtwachen“ im Johanneum durchführte, in deren Verlauf Stefan Schäfer und er über die Hintergründe der Besetzung, des Ensemble 8, des Vereins Kammermusik heute e.V. sowie über die Inspiration zu dem neuen Werk berichteten. Auf launige und gut verständliche Weise, veranschaulicht durch viele Hörbeispiele der anwesenden Instrumentalisten, brachten sie so die Komposition den Schülern näher. Nach der Einführung konnten sich die Schülerinnen und Schüler nach eigenen Aussagen sehr gut etwas unter der Musik vorstellen und waren teilweise von der Aussage des Stückes richtig berührt.
Es folgte der Konzertbesuch mit der eigentlichen Uraufführung am Sonntag, dem 29. Mai 2016, im Tschaikowsky-Saal. Hier konnten die beiden Musikkurse von Frau Winkler und Herrn Willenbrock dann beide Werke, das Divertimento von Schubert und „Nachtwachen“ von Steinke, in voller Länge hören. Dank der aufschlussreichen Einführung zwei Tage vorher konnten alle die Musik gut verstehen und nachvollziehen und folgten aufmerksam den ungewohnten Klängen.
Sehr verdienstvoll ist in diesem Zusammenhang die Arbeit des Vereins Kammermusik heute e.V., durch dessen Aktivitäten das Konzert erst zustande kam. Im Vorstand des Vereins sind auch Eltern des Johanneums. Während seines 15-jährigen Bestehens hat der gemeinnützige Verein mit Kammerkonzerten das Musikleben Hamburgs bereichert. Nach einer ersten Konzertserie im Spiegelsaal des Museums für Kunst und Gewerbe wurden in den Jahren 2006-2013 ingesamt 88 Kammerkonzerte in Zusammenarbeit mit dem Altonaer Museum im Weißen Saal des Jenisch Hauses veranstaltet. Nun ist der Verein in den Tschaikowsky-Saal umgezogen. Auch in dieser Hinsicht war das Konzert also eine Premiere.