Es war ein ganz besonderer musikalischer Abend für unsere Schülerinnen und Schüler des A-Chors und des A-Orchesters: Gestern, am 30. Oktober, brachten die beiden Ensembles unter der Leitung von Herrn Willenbrock und Herrn Grohmann anlässlich des 500jährigen Reformationsjubiläums in St. Petri die Cantata Unio Mystica unseres Musikkollegen Herrn Dr. Steinke zur Uraufführung. Außerdem musizierten die Musikensembles von St. Petri. Die Musikdarbietungen wurden jeweils von Texten zur Reformation, einer szenischen Inszenierung des Theaterkurses Klasse 10 unter der Leitung von Frau Radtke und durch eine Einführung in die Kantate durch den Komponisten selbst unterbrochen.
Eine Bildergalerie von der Andacht und was Herr Dr. Steinke unserer Onlineredakteurin Clara (S1) zu seiner Musikleidenschaft, seiner Komposition und zur Uraufführung seiner Kantate im Interview verraten hat, sind hier sehen und zu lesen ...
Clara: Wussten Sie von Anfang an, dass Sie Musik studieren und auch komponieren wollen?
Dr. Steinke: Ich wusste schon - sagen wir mal - so ab der 10. Klasse, dass ich auf jeden Fall Musik studieren möchte. Ich war mir dann aber noch nicht sicher, welchen Schwerpunkt ich da setzen würde, ob ich dann tatsächlich im wissenschaftlichen Bereich tätig sein möchte oder im künstlerischen Bereich. Ich wusste immer, dass ich komponieren möchte. Es war mir aber auch klar, dass man davon nicht leben kann. Und deswegen habe ich am Anfang eher im wissenschaftlichen Bereich Schwerpunkte gesucht, in der Musikwissenschaft bin dann aber immer wieder, weil es mich am meisten interessiert hat, zum Komponieren gekommen und hab dann auch Komposition noch studiert. Dass es was mit Musik sein sollte, wusste ich immer, und dass ich sehr tief damit umgehen möchte, im Sinne von Komponieren, war mir zu dem Zeitpunkt auch klar. Das war aber noch kein Berufswunsch, weil das ja so kein Beruf ist.
Wer oder was hat Sie inspiriert, ein solches Musikstück wie die Cantata Unio Mystica zu komponieren, wie wir es jetzt im A-Chor und im A-Orchester proben?
Also, da ist ja der Anlass tatsächlich ganz konkret das Reformationsjubiläum und da sind dann tatsächlich die Textvorlagen die Inspiration gewesen. Ich hatte ja mit der Vorgabe, zu dem Reformationsjubiläum etwas zu machen, ziemlich viel Spielraum, und da der Chor ja involviert sein sollte, war es ja auch klar, dass man da auch noch einen Text dazu aussucht. Es ist für mich zumindest immer sehr dankenswert, wenn man dann auch einen Text hat, an dem man sich entlanghangeln kann. Zusätzlich hat man ja auch immer eine Geschichte zu dem Textdichter, in diesem Fall ist dies mit Jochen Klepper dann ja auch eine sehr tragische, die einen auch inspiriert und auf jeden Fall so die Richtung vorgibt, welche Stimmung das Stück haben soll. Auch durch die Instrumentation und die Chorstärke habe ich Ideen, wie die Textur ungefähr sein wird. Wie wird es instrumentiert werden? Wie wird der Chorsatz angelegt? Also soll er sehr stark polyphon sein? Soll er eher akkordisch sein, also homophon? Und das geben dann die Besatzung und natürlich auch die Möglichkeiten der Ausführenden vor. Man denkt natürlich auch nach: Das sind Schüler. Was haben die für eine musikalische Sozialisation? Was könnte denen auch noch Spaß machen? Was könnte die schon überfordern? Was passt dann auch noch zu dem Rahmen, in dem das stattfinden soll, also als Kirchenmusik? Das sind alles Faktoren, die da hineinspielen.
Also wurde das Stück direkt für uns Schüler komponiert?
Ja, tatsächlich!
Ich glaube, dass war vielen von uns noch gar nicht so bewusst!
Doch, das war schon so, dass ich zum damaligen Zeitpunkt mit Frau Sasse und mit Herrn Willenbrock sehr lange gesprochen habe: Wer sitzt da? Wer kann was? Von welchen Stimmen oder Instrumenten kann man mehr verlangen? Welche Partien können schwerer sein? Gerade am Anfang war es so, dass ich ihnen einzelne leichte Stücke gegeben und gefragt habe, ob das geht, ob die das können. Und dann kam die Rückmeldung „Ja, das geht.“ oder „Nein, das geht nicht.“ und dann wurde etwas wieder gestrichen oder eine Stimme verändert.
Wie lange hat es insgesamt gedauert das komplette Stück, wie wir es jetzt vorliegen haben, fertigzustellen?
Das ist schwer zu sagen, weil man ja immer mal so seine kleinen Inseln hat, wo man dann noch etwas macht und Zeit hat. Es gab schon eine Phase, wo ich mich jeden Abend noch einmal hingesetzt habe, damit es auch fertig wird. Wenn man es jetzt so über den Daumen sieht, würde ich vielleicht so ungefähr ein halbes Jahr schätzen. Aber das kann man schlecht sagen. Teilweise sind es Wochenenden gewesen, teilweise sind es mal zwei/drei Stunden am Tag, wo ich mich hingesetzt habe. Das kann man so schlecht aufrechnen. Alles in allem hat sich das so in einem halben bis dreiviertel Jahr abgespielt.
Sie haben ja über Wagner promoviert. Haben Sie sich an Werken von ihm oder anderen großen Künstlern orientiert?
Also es war die Philosophie meines Kompositionslehrers, dass sich vergangene Musik niemals ausblenden lässt, sondern dass sie immer auch Bestandteil ist, also kulturell geistiges Erbe von den Leuten, die jetzt noch komponieren. Es gibt natürlich Strömungen, in der Avantgarde zum Beispiel, die ja besonders im 20. Jahrhundert in den 50er/60er Jahren sehr stark waren, die gesagt haben, es müsse alles Alte weg und etwas komplett Neues geschaffen werden. Die Zeiten sind, wie ich finde, zum Glück vorbei und man hat schon, so mache ich es auf jeden Fall, immer einen lebendigen Dialog mit der Geschichte. Das ist jetzt aber in meinem Fall nicht explizit Wagner, obwohl ich finde, dass Wagner zu den wichtigsten und auch besten Komponisten gehört. Im Fall der Kantate habe ich auch andere Anknüpfungspunkte und gucke natürlich im Bereich von Kirchenmusik, welche Lösungen andere Komponisten vorher gefunden haben. Da gucke ich auch nicht nur im vergangenen Jahrhundert, sondern natürlich auch, was für Kompositionen Leute wie Monteverdi zum Beispiel, also auch Renaissance-Komponisten, die - wie ich finde - sehr spannende und auch moderne Lösungen für den Chorsatz gefunden haben, ablieferten. So etwas inspiriert einen dann auch. Es ist also nicht nur Wagner, es ist immer ein Dialog mit der Tradition.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft für Ihre Musik und für Ihr weiteres Komponieren? Haben Sie durch diese Komposition gelernt?
Also für mich ist es insofern immer wahnsinnig lehrreich mit Musikern zusammenzuarbeiten - und mir hat es in dem Sinn besonderen Spaß gemacht, dass man nicht einfach sagen konnte, dass man das einfach schreibt und die Leute es irgendwie spielen werden, sondern dass man schon darauf Rücksicht nehmen musste, was die Leute können. Ich hatte auch den Anspruch, dass es einigermaßen Spaß bringen soll. Auch wenn man sich jetzt fragt, inwiefern die Reformation spaßig ist, inwieweit die Texte spaßig sind, die Musik klingt ja nicht unbedingt so, wünsche ich mir, dass die Leute doch Spaß daran haben, das zu spielen und zu singen, und dass sie es, wenn man es einfach ausdrückt, einfach schön finden. Das würde mich schon freuen. Das soll natürlich nicht so klingen wie eine Mozartmesse, aber dass man schon danach rausgeht und sagt, da ist etwas erklungen, dass uns irgendwie etwas gegeben hat. Das würde mich für das Stück und auch für die Leute freuen. Und wenn es irgendwann mal wieder gespielt wird und fernab von dumpfer Feierei, die ich ja nicht so mag und die - wie ich finde - im Zuge dieses Reformationsjubiläums auch überzogen war (es soll ja schließlich schon eine kritische Auseinandersetzungen stattfinden und meine Musik dazu einen kleinen Beitrag leisten), dann ist ja schon viel erreicht!
Ich danke vielmals für das Interview!
Ja, ich danke!
Fotos: Gerd Hachmann