So bezeichnete Prof. Harald Vogel in seinem Vortrag am Dienstag, dem 26. November 2019, vor eingeschworenen Orgelfans die ehemalige Orgel des Johanneums, die vormals in der Johanniskirche gehangen hatte.
Ausgehend von den örtlichen Besonderheiten in der Johanniskirche, die durch die daran vorbeiführende Johannisstraße eine schräge Wand hatte, beleuchtete Prof. Vogel zunächst die gestalterischen Eigenheiten dieser Orgel mit einem hinter der Orgel gelegenen Pedalwerk und durchgängig aufsteigend angeordneten Pfeifenreihen. Trotz ihrer für die Johanniskirche relativ klein ausgefallenen Disposition wurde sie 1680 zu einem Aushängeschild für den noch jungen Arp Schnitger, der nicht zuletzt damit seinen Ruhm begründete.
Eindrücklich schilderte Prof. Vogel die Vernetzung Schnitgers mit den damaligen Politikern, allen voran Joachim Anckelmann, der als Mitglied des Gremiums des „Heiligen Leichnam“ für die Entscheidung mit verantwortlich zeichnete, dass die Orgel gebaut wurde. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus einer immer noch existierenden originalen Inschrift, die Prof. Vogel sorgfältig interpretierte. Dass sein Neffe Caspar Anckelmann einen der schönsten und exotischsten Gärten im Hamburg des 17. Jhdt.s hatte, inspirierte Schnitger dazu, die Orgel mit vielen floralen Elementen auch an den architektonischen Bauteilen zu versehen. Diese waren sonst nur an den oberen Enden der Pfeifen zu finden.
Die Herrschaft der Franzosen Anfang des 19. Jhdt.s bezeichnete Prof. Vogel als „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ So hatten die Franzosen die Johanniskirche erst in ein Magazin, dann in einen Pferdestall verwandet, sodass die wunderbare Orgel überflüssig wurde und 1816 für ganz billiges Geld in den kleinen Ort Cappel bei Bremerhaven verkauft wurde – und damit für das Johanneum verloren war. Aber gerade durch diesen Vorgang hatten die ambitionierten Organisten keinen Zugriff auf das herrliche Werk und konnten ihre manchmal neumodischen und aus unserer Sicht hanebüchenen Vorstellungen von vermeintlichen Restaurierungen nicht umsetzen, wie es allzu oft an anderen Barockorgeln geschah – und nicht zu deren Bestem. Die Schnitger-Orgel blieb davon völlig unberührt und ist daher heute die am besten erhaltene Orgel des berühmtesten Orgelbauers Norddeutschlands.
Und nun kommt auch noch die Schallplattenindustrie ins Spiel:
Als die Deutsche Grammophon in den 1950-er Jahren mit ihrer Reihe „Archiv Produktion“ begann, suchten sie nach einer Möglichkeit ihre neue Polymikrophontechnik vorzustellen, die ihr Vorzüge gerade bei Orgelmusik entfalten konnte. Dafür stellten sie das Beste vom Besten zusammen:
- Der beste Organist: Helmut Walcha
- Die beste Orgel: Die Schnitger-Orgel in Cappel
- Die beste Musik: die Orgelmusik Bachs
- Der beste Raum: Die Kirche in Cappel – wesentlich kleiner als die Johanniskirche, dadurch aber perfekt auf die als Continuo-Orgel konzipierte Orgel abgestimmt
- Die beste Technik: die Polymikrophontechnik
Diese Aufnahme war so ausgezeichnet, dass es eine ganze Reihe an Orgelbauern und Organisten gibt, die sich nach Hören dieser Klänge für ihren Beruf entschieden. Anderen Orgeln war solch eine Breitenwirkung nie gegeben. Und so konnte Prof. Vogel zu Recht sagen: Die Schnitger-Orgel, die vormals im Johanniskloster hing und damit zum Johanneum gehörte, war in ihrer Breitenwirkung die bedeutendste Orgel des 20. Jhdt.s.