• Neuntklässler tischlern im Schnupperkurs

Normalerweise lesen sie und schreiben und rechnen den lieben langen Tag, mit Glück führen sie ab und zu auch mal ein Experiment durch, aber: In den meisten Fächern sind unsere Neuntklässler vor allem mit geistiger Arbeit beschäftigt. Etwas ganz Anderes war da der Schnupperkurs bei der Tischler-Innung Hamburg, an dem jetzt eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus der 9c und der 9e teilnehmen durfte. Innerhalb weniger Stunden bauten sie unter Anleitung von Tischlermeisterin Christiane Kummer ihr eigenes Vogelhäuschen. Am Ende des Vormittags konnte jeder etwas mit nach Hause nehmen, was er mit den eigenen Händen geschaffen hatte – ein ziemlich gutes Gefühl, wie die einhellige Meinung in der Feedbackrunde lautete.
In der Ausbildungswerkstatt der Innung in Tonndorf waren zwar die einzelnen Holzstücke für den Nistkasten bereits zugeschnitten worden, aber jeden weiteren Arbeitsschritt mussten die acht selbst durchführen, ganz so, als würden sie eine Ausbildung zum Tischler absolvieren. Mit der Materialliste ging jeder los und holte sich Holz, Schrauben und Werkzeuge an die eigene Hobelbank. Auch hier mussten, fast wie im Lateinunterricht, erstmal „Vokabeln“ eingeführt werden: Was bedeutet anreißen? Was ist ein Aufreiber? Was heißt bündig?

Die neuen Fachbegriffe hatten unsere Neuntklässler schnell drauf und machten sich dann an die praktische Umsetzung. Zunächst wurden die Bohrlöcher mit einer Schablone angerissen, dann in Partnerarbeit gebohrt – es ist nämlich gar nicht so leicht, beim ersten Mal und ganz allein den Akkubohrer wirklich senkrecht zu führen. Auf millimetergenaue Exaktheit aber kommt es beim Tischlern an, wie Christiane Kummer betonte, damit nachher auch alles genau zu- und ineinander passt. Deshalb wurden mit dem Aufreiber die Bohrlöcher noch etwas gesenkt, damit später der Schraubenkopf nicht auch nur den Bruchteil eines Millimeters überstand, deshalb wurden die Abstände der Bohrlöcher genau ausgemessen, damit an keiner Seite das Holz splitterte, deshalb wurde beim Zusammenschrauben von Hand noch einmal der Partner um Hilfe gebeten, damit die Seitenteile auch wirklich bündig miteinander abschlossen, deshalb wurde das Tischlerdreieck (auch so eine neue Vokabel!) aufgezeichnet, damit auch wirklich die richtigen Seiten innen und außen saßen und die Faserrichtung des Holzes eingehalten wurde.
So viel Sorgfalt wirkte scheinbar ansteckend. Da das Dach des Nistkastens wegen des Wasserablaufs schräg angebracht werden musste, ergab sich für die Rückwand ein kleiner Überstand nach unten. „Den haben wir einkalkuliert, den sieht man nicht wirklich, und die Meisen stört es auch nicht“, sagte Tischlermeisterin Kumme tröstend. Doch Leya wollte sich damit nicht zufriedengeben: „Kann man denn nicht einfach die Oberkante der Rückwand anschrägen, damit die Unterkante bündig mit dem Boden abschließt?“, fragte sie. Das war möglich, bedeutete aber ausdauernde Handarbeit mit einer Feile an der 30 mm dicken Holzplatte, die die Rückwand bildete.
Aber der Ehrgeiz war erwacht und so machten sich fast alle aus der Gruppe daran, ihr Brett zu feilen, was über eine halbe Stunde zusätzliche Arbeit bedeutete und jede Menge Muskelkraft erforderte, wie die Mädchen und Jungen feststellten. Eine ganze Weile hörte man nichts außer dem Schleifen und einen gelegentlichem Stöhnen, wenn die Oberkante noch immer nicht schräg genug war und der Arm schon schmerzte. Hochkonzentriert arbeitete jede und jeder am eigenen Vogelhäuschen, bis gegen zwölf Uhr alle das fertige Produkt in den Händen hielten und stolz präsentierten. „Ich könnte mir nach dem Abitur eine Ausbildung im Tischlerhandwerk durchaus vorstellen“, sagte Erik bei der Abschlussrunde, und die anderen nickten zustimmend. Es habe Spaß gemacht, an der Hobelbank zu arbeiten und im Maschinenraum, und es sei endlich einmal alles so herrlich praktisch gewesen, lautete das Fazit der Gruppe. Wer weiß, vielleicht hat das Johanneum ja auch im kommenden Jahr Glück und wird von der Handwerkskammer wieder für dieses sehr besondere Projekt im Rahmen der Berufsorientierung ausgewählt?

Tischler-Kurs
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